February 22, 2021

Spekulationsobjekt vs. selbstorganisierter Freiraum: Eine kleine Chronik der Reiche 114
Speculative Capitalism vs. Self-Organized Open Spaces: A Brief Chronicle of Reichenberger 114

1990 kaufte der Filmproduzent und Unternehmer Artur Brauner die Reichenberger Straße 114. Zahlreiche Wohnungen wurden besetzt, und das Frauenkollektiv erkämpfte gute Bedingungen für alle Bewohner*innen bei der öffentlich geförderten Moder­nisierung der vorderen Gebäudeteile ab 1992 – und auch für die Bewohner*innen des Fabrik­gebäudes. Das Fabrikgebäude wurde allerdings weder modernisiert, noch instandgehalten, sondern durch Eigeninitiative vor dem Verfall ge­rettet. 

Mit diesen erfolgreichen Kämpfen schufen die Bewohner*innen die Vorausset­zungen dafür, dass das Haus bis heute An­laufstelle und Zufluchtsort ist für Menschen, die aus verschie­densten Gründen struktureller Dis­kriminierung ausgesetzt sind, ins­besondere für Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben und / oder aus an­deren Län­dern hierher geflüchtet sind. Viele der Bewohner*innen sind in der FLINT*-Szene verwurzelt. Diesen Frei­raum wollen wir erhalten für unkonvention­elle, basisdemokrati­sche, selbst­organisierte Lebensformen. 

Artur Brauner verkaufte das Haus 2010 an die Firma TuAr. Die­se verkaufte 2011 weiter an Akershus, einem Teil von Henrik Ulvens Immobilenkonsortium. Doch auch für Ulven waren die Mieter*innen der Reiche 114 zu gut organi­siert. Um weiteren Stress zu vermeiden, verkaufte er 2014 an Berlin Aspire.

Doch auch die bissen sich die Zähne an den renitenten Mieter*innen aus und ver­kauften 2018 an Akeli­us – für Berlin Aspire allerdings zu spät: Eine umfangreiche Recherche deckte die Betrü­gereien von Berlin Aspire auf und läutete das Ende des Unternehmens ein.

Seit 2010 waren es also vier Verkäufe – und dabei eine rein spekulative Preis­steigerung um etwa 500 Prozent. Nichts wurde in das Haus investiert. Oft mussten Mieter*in­nen vor Gericht ziehen, damit die Besitzer*innen auch nur die notwendigsten Reparaturen durchführten.

Wir Bewohner*innen wehrten und wehren uns auf allen Ebenen: Mit vielfälti­gen Mitteln leisten wir Widerstand dagegen, dass die Besitzer ihr Kommerz- und Profit-Konzept reibungslos durchziehen. Im Haus, auf der Straße, im Büro der Besitzer*innen, vor Gericht und an vielen anderen Orten.

Unser Ziel: Selbstorganisierung und freie Entfaltung für alle Menschen - unabhängig von ihrer Finanzstärke - anstatt Kommerzialisierung der öffentli­chen und privaten Räume.

Unterstützt uns! Kommt zur Kundgebung am Samstag, 27. Februar, ab 14 Uhr vor der Reichenberger Str. 114!




 

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